Micro-Influencer vs. Mega-Stars:
Warum kleine Reichweite große Wirkung haben kann – und was Marken aus „Internet Lore“ lernen sollten

Micro-Influencer

In der Welt des Influencer-Marketings herrschte lange Zeit ein einfaches Prinzip: Je größer die Reichweite, desto besser. Unternehmen investierten hohe Summen in Kampagnen mit prominenten Social-Media-Stars oder klassischen Celebrities. Doch diese Denkweise verändert sich. Zunehmend setzen Marken auf Micro-Influencer – also Content Creator mit vergleichsweise kleiner, dafür aber sehr engagierter Community. Dabei geht es nicht mehr nur um Reichweite, sondern um Relevanz, Authentizität und kulturelle Resonanz.

In diesem Beitrag analysieren wir, warum Micro-Influencer immer wichtiger werden, wie sie Markenbotschaften glaubwürdig transportieren und was Marketer von sogenannter „Internet Lore“ lernen können – also von Content, der in Nischen entsteht und dennoch große kulturelle Wellen schlägt.

Was sind Micro-Influencer?

Micro-Influencer sind Personen mit einer Social-Media-Followerzahl zwischen etwa 1.000 und 100.000. Sie bewegen sich meist in einem bestimmten Themenbereich – sei es Gaming, Beauty, Nachhaltigkeit, Politik oder Hundeerziehung – und genießen dort ein hohes Maß an Vertrauen. Ihre Inhalte wirken nahbar, ungeschliffen und oft persönlicher als die polierten Auftritte von Social-Media-Stars mit Millionenpublikum.

Vorteile von Micro-Influencern:

  • Höheres Engagement (Kommentare, Shares, Reaktionen)
  • Glaubwürdigkeit durch Nähe zur Community
  • Kosteneffiziente Zusammenarbeit
  • Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit vielen Creators gleichzeitig („Long Tail“)
  • Spezifisches Zielgruppen-Targeting

Mega-Stars: Reichweite, aber wenig Reibung

Natürlich sind große Influencer oder Promis nicht bedeutungslos. Eine Kooperation mit einem internationalen Star kann immense Sichtbarkeit erzeugen – und manchmal ist genau das das Ziel. Doch die hohe Reichweite geht häufig mit geringerer Engagementrate, geringerem Vertrauen und einer gewissen Austauschbarkeit einher.

Nachteile von Mega-Stars:

  • Hohe Kosten
  • Geringere Conversion-Raten
  • Geringere Authentizität bei Nischenthemen
  • Risiko von Markenverwässerung

Ein klassisches Beispiel: Ein Shampoo-Hersteller engagiert einen weltweit bekannten Schauspieler für eine Kampagne. Millionen sehen die Werbung – aber nur ein kleiner Teil fühlt sich wirklich angesprochen oder glaubt, dass dieser Star das Produkt tatsächlich nutzt. Das Ergebnis: Sichtbarkeit ja, Wirkung begrenzt.

Micro-Influencer als Schlüssel zur echten Community-Resonanz

Micro-Influencer sprechen „ihre Leute“ auf Augenhöhe an. Sie sind oft selbst Teil der Zielgruppe – und das merken die Follower. Ob ein Skateboarder, der neue Rollen testet, eine Food-Bloggerin, die ihre veganen Lieblingsprodukte zeigt, oder ein Lehrer, der auf TikTok Bildung humorvoll verpackt: Die Nähe zur Realität erzeugt Bindung.

Zahlreiche Studien belegen: Die Conversion-Rate von Micro-Influencern ist oft höher als die von größeren Accounts. Konsument:innen vertrauen Empfehlungen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie von „echten Menschen“ stammen.

Was ist „Internet Lore“ – und warum ist es für Marken relevant?

„Internet Lore“ bezeichnet Content, Referenzen und Memes, die in Online-Communities entstehen, dort weiterverarbeitet und irgendwann zu einem Teil der digitalen Kultur werden. Es handelt sich nicht um offizielle Markenkommunikation, sondern um organisch gewachsene Narrative, die sich aus den Dynamiken der Plattformen selbst entwickeln.

Beispiele für Internet Lore:

  • TikTok-Trends mit ironischen Subtexten
  • Running Gags oder „In-Jokes“ aus Reddit oder Discord
  • YouTube-Videos oder Twitter-Posts, die zur Legende werden
  • Fiktive Produkte oder Marken, die online ein Eigenleben entwickeln (z. B. der „Duolingo Owl“ als Meme)

Warum das für Marken wichtig ist:

Marken, die es schaffen, auf diese kulturellen Strömungen zu reagieren – oder sie gar mitzugestalten –, werden nicht nur gesehen, sondern verstanden. Micro-Influencer sind oft tief in diesen Nischenkulturen verankert. Sie kennen die Sprache, den Humor und die Codes. Und sie wissen, wie man Inhalte erstellt, die nicht wie Werbung aussehen, aber dennoch performen.

Praxisbeispiel: Wie Marken Micro-Influencer & Internet Lore erfolgreich kombinieren

Beispiel 1:
Duolingo auf TikTok

Duolingo nutzt humorvolle, selbstironische Inhalte rund um das eigene Maskottchen, die stark von der Community geprägt sind. Die Inhalte greifen virale Trends auf, reagieren auf Memes und interagieren mit Kommentaren. Micro-Creators werden gezielt eingebunden, um die Reichweite zu erweitern – ohne den authentischen Ton zu verlieren.

Beispiel 2:
Nike & Lauf-Communities

Nike arbeitet regelmäßig mit Micro-Influencern aus der Lauf- und Fitnessszene zusammen – nicht mit Superstars, sondern mit lokalen Stimmen, die in ihren Städten Läufe organisieren oder Trainingstipps geben. Diese Kooperationen wirken glaubwürdig und fördern Community-Aufbau.

Beispiel 3:
Beauty-Startups auf Instagram

Junge Kosmetikmarken wie Glossier oder The Ordinary haben ihre Markenbekanntheit nicht durch Promis, sondern durch Micro-Influencer aufgebaut. Der Fokus lag auf echter Haut, ehrlicher Review und der Kraft von Mundpropaganda in Nischen-Subreddits oder Instagram-Stories.

Wie du als Marke Micro-Influencer strategisch einsetzt

  • Zielgruppenanalyse
    Finde heraus, welche Micro-Communities zu deiner Marke passen – und auf welchen Plattformen sie aktiv sind (z. B. TikTok, Threads, YouTube Shorts, Instagram Reels).

  • Creator Research
    Suche Micro-Influencer mit hoher Engagement-Rate, aktiver Community und thematischer Passung. Tools wie Modash, HypeAuditor oder sogar manuelle Recherche helfen dabei.

  • Kooperation auf Augenhöhe
    Gib deinen Creators kreative Freiheit. Micro-Influencer wissen oft besser, wie sie ihre Community ansprechen müssen, als deine Marketingabteilung.

  • Langfristige Zusammenarbeit
    Anstatt auf einmalige Posts zu setzen, sind mehrmonatige Kooperationen oder „Brand Ambassadors“ deutlich wirksamer.

  • Nutzung von UGC & Lore
    Nutze User-generated Content als Ausgangspunkt für Kampagnen. Beobachte, welche Trends in deiner Nische entstehen – und reagiere sensibel darauf.

Fazit: Kleine Reichweite, große Wirkung

Micro-Influencer bieten Marken die Chance, echte Nähe und Glaubwürdigkeit in einer zunehmend gesättigten Content-Welt zu schaffen. In Kombination mit dem Verständnis für Internetkultur und „Lore“ können Unternehmen nicht nur werben – sondern Teil der digitalen Erzählung werden. Der Weg zum Publikum führt heute nicht mehr zwingend über Stars, sondern über die Menschen, denen wir wirklich zuhören.

Tipp: Wenn du selbst mit Influencern arbeitest, denke weniger in Reichweite – und mehr in Beziehungen. Micro-Influencer sind keine „kleinen Influencer“, sie sind oft die wertvolleren.